Liebe Gemeinde!
ich grüße Sie/Euch mit dem Monatsspruch für den Monat Juli. Der steht in Exodus 23, 2:
„Du sollst dich nicht der Mehrheit anschließen, wenn sie im Unrecht ist.“
Exodus 23, 2
Kennen Sie das, wenn Sie im Straßenverkehr unterwegs sind und meinen, dass Sie schon voll am Limit der erlaubten Geschwindigkeit unterwegs sind? Und dann passiert es, dass Sie ständig überholt werden. Sogar die LKWs fangen an Sie zu überholen und dann fängt es an in Ihnen zu rattern… Hab ich eventuell das letzte Schild übersehen? Vielleicht ist ja gar nicht mehr 60 km/h – sondern 80? Oder sogar 120? Fahre ich etwa zu langsam?
Sollte ich wieder ein bisschen beschleunigen?
Blendet man einmal die Frage nach der tatsächlich erlaubten Geschwindigkeit aus, dann kann man grundsätzlich feststellen: Die Bewegungen der Masse können Einfluss nehmen auf die einzelne Persönlichkeit.
Wenn ich der einzige Mensch bin, der so langsam auf der rechten Spur umherschleicht, dann regt das in mir einen Denkprozess an.
Das trifft nicht nur auf den Straßenverkehr zu – das betrifft mein gesamtes Leben.
Demonstrationen gegen Rechtsaußen – vor 10 Jahren habe ich nicht einen Gedanken daran verschwendet auf so eine Demo zu gehen. Nun machen es zehntausende Menschen und ich merke: die Masse hat eine Anziehungskraft auf mich. Sollte ich da mitmachen?
Gerade in Zeiten von Corona war teilweise die Massenbewegung ausschlaggebend für eigene Entscheidungen. Alle waren mit Maske unterwegs. Ja dann mache ich das auch. Impfung? Ja klar, macht doch jeder!
Oft ist die Massenbewegung auch eine Art Rechtfertigung des eigenen Handelns: „Alle gehen hier über die rote Ampel.“, „Alle haben schon einmal gelogen.“ oder „Viele trinken Alkohol“. Manchmal führen Massenbewegungen dazu, dass man das eigene Handeln gar nicht mehr reflektiert. Gesellschaften gewöhnen sich an Handlungsmuster. Daraus entsteht die sogenannte Normalität. Es entstehen „normale Beziehungen“, „normale Familienverhältnisse“, „normale Umgangsformen“, usw.
In dieses Leben spricht Gott hinein:
„Mehrheit ist nicht alles.“
Das ist ein wichtiger Hinweis. Nur weil viele Menschen einer Meinung sind oder eine Weltanschauung vertreten, so heißt das nicht, dass sie damit richtig liegen.
Viel zu lange gab es Mehrheiten, die die Rechte von Frauen kleingehalten haben. Viel zu lange gab es Mehrheiten, die mit Menschen gehandelt haben.
Ja es stimmt – Mehrheiten liegen nicht immer richtig. Schließ dich nicht dem Bösen an!
Ich habe das Gefühl, dass die Christenheit dieses Gebot jedoch durch ein anderes ersetzt hat. Es heißt nicht mehr: „Schließ dich nicht in jeder Angelegenheit der Mehrheit an“ sondern „Sei ein lebend’ger Fisch – schwimme doch gegen den Strom“.
Aus der Warnung vor mitreißenden Fluten wurde der Aufruf zum Mehrheiten-Bashing: „Der Mainstream ist dafür? Dann kann ja etwas nicht stimmen. Ich bin dagegen.“
Manche Christenmenschen haben mehr als nur einen Grund-Skeptizismus gegenüber Mehrheitsmeinungen entwickelt, denn: „nur die toten Fische schwimmen immer mit dem Strom.“ Sie fühlen sich durch Gegenwind bestätigt. Es entsteht der Eindruck, man müsse Teil einer Minderheit sein, damit man „auf dem rechten Weg“ unterwegs ist.
„Quer denken, das ist noch nicht ganz die 180°-Wende, aber immerhin 90°, besser als nichts.“ Dieser Eindruck könnte entstehen, wenn man zu den lebendigen Fischen gehören möchte, die gegen den Mainstream ankämpfen.
Aber das ist nicht im Sinne dessen, was der Monatsspruch uns mitgeben möchte. Er ermuntert uns nicht, Mehrheiten ausfindig zu machen und uns gegen sie zu stellen. Vielmehr ermuntert er uns, Gruppenbewegungen zu analysieren und beweglich zu sein und „out of the box“ zu denken – ergebnisoffen. Es muss auch möglich sein, Mehrheitsentscheide gut sein zu lassen. Gleichzeitig brauchen wir Mut, entschlossen gegen das Böse einzutreten, wenn wir es sehen.
Dazu lade ich Sie ein in diesem hoffentlich schönen Sommer 2024: beweglich bleiben, sich treiben lassen und sich im entscheidenden Moment hellwach für das Gute einzusetzen.
Ihr/Euer
Daniel Perner
(Gemeidepädagoge)
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