Predigt zu Genesis 18, 1-14

„Gesegnete Begegnung“

Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie das Leben wäre, wenn jeder Tag gleich wäre und es nie eine Unterbrechung gäbe vom Normalen. Wenn Jahraus, Jahrein alles immer gleich wäre. Wenn es nie eine Gelegenheit gäbe, sich an etwas Wichtiges zu erinnern, was man vielleicht längst vergessen hat. Wie z.B. die Frage: Was tue ich hier? Wofür bin ich eigentlich da?

Unterbrechungen vom Alltag sind zu so was gut: Zum Innehalten und sich Erinnern.

In unserer Familie wird die Zeit im Jahr, die für solche Unterbrechungen super geeignet ist, die Sommerferienzeit, an einem bestimmten Ort verbracht: Auf dem Campingplatz.

Und ein Campingplatz im Sommer ist für mich einfach wie das richtige Leben.

Auf dem Campingplatz herrscht ein Kommen und Gehen. So wie im Leben. Menschen reisen an, richten sich ein, kommen in Kontakt, sitzen in der Sonne, bekommen Regen ab, werden von Ameisen angegriffen, erleben aufregende Dinge und irgendwann wird wieder abgebaut, man reist ab. Da, wo das Zelt oder der Wohnwagen stand, ist das Gras etwas eingedrückt. Dann reisen wieder neue Leute an, stellen sich dahin wo die anderen vorher waren.

Durch dieses Kommen und Gehen ist einem die ganze Zeit klar: Irgendwann reise ich auch ab, und nach mir kommt jemand anderes. Das gibt zu Denken.

Und gleichzeitig ist es super unterhaltsam. Vormittags draußen beim späten Frühstück zu sitzen und zu schauen, wer neu ist. Und wenn es stürmisch ist, wie sie es schaffen das Zelt oder Vorzelt aufzubauen. Oder das riesige Wohnmobil in paralleler Richtung zur Hecke zu parken, mit Eingang nach vorne. Und wenn jemand besonders mit Sturm oder Einparkproblemen kämpft, ist gleich eine fröhliche Runde da, die helfen möchte.

Auf einem Campingplatz kommt man den anderen Menschen näher als sonst. Es gibt Begegnungen mit Menschen, die man sonst nicht treffen würde. Die ein ganz anderes Leben führen. Und solche Begegnungen können zum Segen werden. Zum Beispiel letztes Jahr in Holland. Vor unserer Reise sagte jemand zu mir, er fährt nicht nach Holland wegen der „Ruhrpottaffen“. Ich teile diese Meinung nicht, muss ich ausdrücklich sagen. Ich finde Menschen aus Nordrhein-Westfalen ganz besonders herzlich. Aber ein wenig verunsichert hat mich die Aussage dann doch. Nun ja, es kam natürlich so: In einem Zelt schräg gegenüber richteten sich der 10-jährige (nennen wir ihn Max) und sein Vater ein. Nun ja, Max und sein Vater kamen aus dem tiefsten Ruhrgebiet, beide trugen Muskelshirts, und die Bierdosen wurden schon morgens aufgemacht (beim Vater). Das war aber nur ein Teil der Geschichte. Auf einem Campingplatz aber, da erfährt man die ganze Geschichte. Die ganze Geschichte ist: Max‘ Vater liebt seinen Sohn von ganzem Herzen. Er hat das alleinige Sorgerecht, weil die Mutter von Max hat das Kind schwer vernachlässigt hat. Nur langsam erholt sich der Junge davon. Er ist unsicher, kämpft mit verschiedenen Einschränkungen. Da wo er wohnt und in seiner Schule hat er wenig Freunde und wird oft geärgert. Auf dem Campingplatz in Holland blühte er auf, wurde Teil der Kinderbande, konnte immer zu uns kommen wenn er Lust hatte und hatte die Zeit seines Lebens. Auch sein Vater konnte endlich mal ausspannen und fand Menschen, mit denen er die Bierdosen leeren konnte (na klar!). Unsere Kinder und wir merkten, was alles nicht selbstverständlich ist und was wir für selbstverständlich halten. Die Liebe von beiden Eltern. Freundschaft. Ein Umfeld in dem man gerne ist. Und wir merkten, dass wir nicht nur selbst eine gute Zeit im Urlaub hatten, sondern dazu beigetragen haben, dass jemand anderes eine gute Zeit hatte. Das war gut, daran erinnert zu werden! Das hatten wir total vergessen: Das Leben dreht sich nicht nur um mich und mein Glück. Überall wo ich bin, kann ich zum Segen für andere werden.

Und die Geschichte von Abraham und Sarah aus der Lesung, die habe ich nicht nur ausgesucht, weil Abraham und Sarah im Zelt wohnten. Das war damals ja Standard. Sondern, weil sie in ihrem nach allen Seiten offenen Zuhause eine besondere Begegnung hatten. Und weil ihr Alltag und ihr Normales-So-Sein dadurch unterbrochen wurden. Sie lebten ja seit Jahrzehnten das gleiche Leben, mit den Tieren, mit den Jahreszeiten. Aufstehen, Tiere melken, Holz holen usw. Und dabei haben sie etwas vergessen, etwas ganz Wichtiges. Dass Gott sie ja gesegnet hatte. Gott hat Abraham einmal gesagt, dass er Nachkommen haben wird wie Sterne am Himmel. Und dass in ihm so viele Menschen gesegnet werden sollen! (Das steht im Buch Genesis im 15. Kapitel). Und dann kommen plötzlich drei Männer. Die Bibel sagt: Gott kommt zu Abraham und Sarah. Abraham nimmt sie überschwänglich auf. Er freut sich sehr über diese besondere Begegnung! Endlich passiert mal was! Gut, dass Abraham und Sarah so offen sind. Denn die Männer haben eine wichtige Nachricht: Sie kennen die beiden anscheinend sehr gut, auch wenn sie fremd sind. Sie wissen genau, was den beiden fehlt. Da erst fällt der Groschen bei Sarah und Abraham: Ein Kind!

Für mich ist das Kind ein Sinnbild. Jedem von uns könnte Gott so begegnen, an einem normalen oder ungewöhnlichen Ort. Und an etwas Wichtiges erinnern: Was soll zur Welt kommen durch mein Leben? Was möchte ich hier tun? Womit bin ich gesegnet. Bin ich auf der Erde, um zu verbrauchen, zu konsumieren, und dann irgendwann abzureisen? Oder bin ich da, damit durch mich etwas Gutes zur Welt kommt?

Ich finde, dass Ferien und ruhige Zeit großartig geeignet sind, um sich unterbrechen zu lassen in dem Normalen. Von einer besonderen Begegnung, einem besonderen Ort. Von Gott.

Vielleicht sogar auf dem Campingplatz. Ich kann das sehr empfehlen. Wie das richtige Leben.

Amen