Liebe Nettelnburgerinnen und Nettelnburger, liebe Gemeindeglieder!

Sackgasse – Du kommst hier nicht weiter! Wie würden Sie auf eine solche Aussage reagieren? Sachlich: „Aha, dann nicht.“ Oder vielleicht mit Ärger: „Das ist unmöglich! Ich lasse mir nichts verbieten!“ Verzweifelt: „Dann muss ich für immer an dieser Stelle bleiben!“ Hoffnungsvoll: „Vielleicht ja morgen?“ Kreativ: „Gut, dann probiere ich einen anderen Weg…“

Karfreitag stellt einen solchen Satz mitten in unser Leben: Deine Hoffnung ist am Ende, hier kommst du nicht weiter! Es gibt Dinge in Deinem Leben, die schränken dich ein. Regeln und Gesetze, Krankheit, nicht ausreichend Geld, Abhängigkeiten, der Tod! Auch die Pandemie hat in den letzten Jahren zu vielen Karfreitagserfahrungen geführt. Und dass in unserer Nachbarschaft Ende Februar jemand eine Grenze durchbrochen hat, halte ich auch für eine Karfreitagsgeschichte: da wird nicht das Leben gefördert, sondern der Tod mit Gewalt herbeigeführt. Oft ist unser Blick von diesen Schranken bestimmt. Wir sehen, was alles nicht geht. Wenn das alles wäre, dann wären wir in unser Leben eingesperrt. So verstehe ich Karfreitag: ein Tag wie ein Hinweisschild. Du kommst hier nicht weiter! Sackgasse heißt auf Englisch „dead end street“. In Florenz gibt es viele Einbahnstraßen. Und es gibt einen Künstler – er nennt sich Clet – der kreativ mit den „Einfahrt verboten“-Schildern umgeht. Er gestaltet sie um und interpretiert sie neu. Aber nicht nur diese, sondern auch alle möglichen anderen. Er sagt, dass er dadurch auf die Schilder aufmerksam macht. Die Autoritäten lassen seine Schilder zu, weil sie die Bedeutung immer noch erkennen lassen. Und sie sind inzwischen auch eine Touristenattraktion. (Ich habe insgesamt 33 verschiedene entdeckt).

Kreativ bedeutet „schöpferisch“. Und so hat uns Gott, der Schöpfer, gemacht: er möchte, dass wir das Leben gestalten können. Unseres und das von anderen. Dafür hat er uns begabt, jeden auf seine Weise, dass wir an einer Welt arbeiten, die es wert ist, Gottes Reich genannt zu werden. Eine Welt, in der der Frieden und das Leben gefördert und nicht eingeschränkt wird. So verstehe ich Ostern: Gott öffnet eine Schranke – er öffnet die Grenze des Todes. Er lässt uns weiterkommen, wo uns Grenzen gesetzt sind. Das ist die gute Nachricht, das Evangelium.

Clet ist katholisch erzogen, aber nicht religiös. Seine Symbole versteht er eher kulturell. Aber das sind unsere Feiertage an Karfreitag und Ostern ja auch. Es hindert uns aber nicht, uns an Karfreitag unseren Grenzen zu stellen und in der Osternacht ihre Überwindung zu erhoffen.

Ihr Thorsten Pachnicke
(Pastor)

Pastor Thorsten Pachnicke und Clet in Florenz