Liebe Nettelnburgerinnen und Netteln­burger, liebe Gemeindeglieder! Die Aufforderung Jesu “Seid barmher­zig!“ könnte das 11. Gebot sein. Anders als in den 10 Geboten sagt diese Auffor­derung Jesu, was zu tun ist. Wie anders klingt das als das „Du sollst nicht…“, das vorschreibt, was zu unterlassen ist. Jesus will zuerst, dass das Leben gefördert wird. Erst da­nach geht es ihm darum, es zu begrenzen; und zwar dann, wenn das gemeinsame Leben bedroht ist. Jesus wirbt für ei­nen barmherzigen Umgang. Barmherzigkeit ist zuerst eine Gabe und erst dann eine Auf­gabe. Sie ist eine Gabe, weil Gott barmherzig ist wie ein guter Vater. Ein guter Vater fordert und erwartet et­was, aber er traut dabei seinen Kindern etwas zu und will, dass sie zum Ziel kommen – selbst wenn etwas miss­lingt oder Fehlentscheidungen getrof­fen wurden. Deshalb fordert Jesus auf barmherzig zu sein, „wie auch der Vater im Himmel barmherzig ist.“ Die Barm­herzigkeit Gottes ist die Quelle, aus der heraus Jesus geredet und gehandelt hat. Diese Quelle sprudelt auch für uns. Hier liegt der Grund dafür, dass wir Gott mit „Vater (unser)“ anreden.

“Seid barmherzig!“ ist in der Mehrzahl formuliert und nicht nur an einzelne gerichtet. Barmherzigkeit wird erlebbar und zahlt sich aus, wenn sich eine Ge­meinschaft mit ihr auf den Weg macht.

Wenn die Pandemiebeschränkungen gelockert oder sogar aufgehoben wer­den, braucht es den Mut, mit Aktivitäten und Gruppen, mit Projekten und Initia­tiven neu zu starten. Manche werden vorpreschen, andere sind zögerlich, wieder andere wollen alles „wie früher“ oder „ganz anders“. “Seid barmherzig miteinander!“ heißt: im Auf­bruch auch das Anliegen des anderen mit zu bedenken. Dazu gehört für diejenigen, die sich auf den Weg ma­chen, nach dem Ausschau zu halten, was verbindet und gemeinsam geht. Gerade im Umbruch ist Barmherzigkeit das Gebot der Stunde. Un­barmherzig wird es, wenn jeder nur auf seinen Weg schaut und es nicht gelingt, die Situation auch mit den Augen des anderen zu sehen.

Mit herzlichem Gruß, Ihr /Euer
Hartmut Sölter, Pastor